Kurz-Biografie
Sophie-Charlotte Opitz (*1987, Aachen) ist promovierte Kunst- und Medienwissenschaftlerin und Kuratorin. Nach einem Stipendium als Kunstkoordinatorin an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart (2019), arbeitete sie im Programm ‚Museumskurator*innen für Fotografie‘ der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (2019-2020) unter anderem am Fotomuseum Winterthur (CH) und dem Victoria & Albert Museum in London (UK). Seit 2021 ist sie Direktorin der The Walther Collection – eine Kunstsammlung, die in ihren weltweiten Ausstellungen und Publikationen die sozialen Gebrauchsweisen von Fotografie untersucht. Opitz‘ 2020 erschienenes Buch ‚Bilderregungen: Die Produktionsmechanismen zeitgenössischer Kriegsfotografie‘ (Jonas Verlag) widmet sich medialen und soziokulturellen Dynamiken innerhalb von Kriegs- und Konfliktfotografie. Ihr Forschungsinteresse umfasst Fragen zu Medialität und Materialität kollektiver Erinnerungskulturen, internationalen Bildhegemonien und politischer (Un-)Sichtbarkeit.
Kuratorisches Statement
"Fotografie ist Medium, Instrument und Botschaft. Das Besondere an Fotografie ist somit weniger das fotografische Produkt, als die Prozesse und Akteur*innen, die mit dieser verbunden sind. Fotografie vermag ebenso persönlicher Ausdruck zu sein, wie politischer Protest – manchmal auch beides gleichzeitig. In ihr treffen sich soziokulturelle, historische und politische Zusammenhänge, die über Zeit und Raum hinweg etwas „bewegen“ können. Zeitlich, sollte der fotografische Prozess nicht lediglich ab dem Klicken des Auslösers bis zum Moment der Entwicklung des Bildmaterials verstanden werden, denn was hat dazu geführt, dass das Bild überhaupt gemacht wurde? Und was wird es in seiner zukünftigen Betrachtung auslösen?
Räumlich kann eine Fotografie Orte den Betrachtenden näherbringen und an neue Orte weitergetragen werden. Dabei sollten wir uns stets vor Augen halten, dass Fotografie trotz ihrer vielen Qualitäten, auch limitiert und lückenhaft ist. Sie kann Erinnerungen nicht wahren, sie kann Ereignisse nicht gänzlich dokumentieren, sie kann die Wahrheit nicht grundlegend belegen. Es ist genau diese Friktion zwischen vermeintlichem Anspruch an und Versagen der Fotografie, die dazu führt, dass Fotografie seit ihren frühen Anfängen bis dato als politisches Instrument und Stärkung hegemonialer Machtverhältnisse (aus-)genutzt wird. Doch die Lücke, so meine Überzeugung, ist gleichzeitig das größte Potenzial der Fotografie. In ihr können Ideen kreiert werden und Widerstände wachsen. Dabei stehen im Mittelpunkt all dieser Überlegungen wir, die die Verantwortung für die Produktion, Distribution und Konsumption von Fotografie tragen.
Mit ebendiesen Gedanken habe ich mich den Portfolios der DFA-Mitglieder genähert. Meine Auswahl basiert, um es in Barthes‘ Worten zu formulieren, weniger auf dem „Punktum“ (das, was mich im Bild in den Bann zieht), als mehr auf dem „Studium“ (die „Hingabe für die Sache“).
So haben mich in meiner Auswahl solche fotografischen Untersuchungen interessiert, die weitere fototheoretische Überlegungen anstoßen. Es mögen nur einige Beispiele genannt sein: Die Verschiebung des Fokus auf das „Drumherum“ in Simone Demandts Fotografie befragt kritisch die Wirkung und Machtverhältnisse innerhalb von Werbefotografie. Anastasia Khonoshilovas Nahaufnahme eines vernarbten Körpers arbeitet die zeitliche Vielschichtigkeit heraus, die eine Fotografie erst entstehen lässt, und deutet gleichermaßen auf das damals, heute und morgen einer von Kriegen und Konflikten gekennzeichneten Menschheitsgeschichte hin. Das Innen und Außen in Birte Kaufmanns Fotografie steht sinnbildlich für mich für die verschiedenen Bedeutungsebenen, die Fotografie in sich birgt – und die verschiedenen Perspektiven aus der man sie betrachten kann. In Loredana Nemes‘ Triptychon begegnen uns die Gemeinsamkeiten von Mensch und Medium – ihre Fragilität, Komplexität und Dynamik – die unsere Faszination für das Bild wohl zu großen Teilen motivieren. All die hier versammelten Fotografinnen, deren Bilder schön, grausam, beängstigend, beglückend, verwirrend, Neugierde weckend, beruhigend und anstiftend sind, begründen, warum es sich lohnt Fotografie zu „machen“ – sie zu denken und zu leben."
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