Über
Ich verließ Brasilien im Alter von 23 Jahren und lebe seitdem in Europa. Die Frage nach persönlicher Identität als soziokultureller Konstruktion sowie mein eigener Stand als Ausländerin sind Ausgangspunkte meines künstlerischen Denkens. Dabei entwickelte ich meine eigene Aufnahmtechnik, das „Scanogramm“ – eine Sichtweise ohne zentralen Blickwinkel oder Fokus, wie sie in der Fotografie üblich ist.
Statement
Meine Fragen richten sich an kulturelle Identität, an Kontinuität, an die Verletzlichkeit des Individuums und schließlich an das global gewordene Bewusstsein von kulturellen Unterschieden und Besonderheiten. Der meiner Arbeitstechnik inhärente Perspektivwechsel korrespondiert mit dieser Wahrnehmung: das „Scanogramm“ ist ein Begriff, der in Analogie zur Geschichte der Fotografie (vgl. „Fotogramm“) auf eine direkte Ablichtungstechnik anspielt. Konstruiert zum Digitalisieren von Dokumenten hat der Scanner weder Linse noch Fokus. Er kennt nur das Nebeneinander. Er tastet sich voran mit gleichgültiger Präzision. Alles Vordergründige ist ihm gleichermaßen hell und scharf, alles tiefer Gehende verliert sich in perspektivlos ungewissem Dunkel. Er ist so maßlos wie vermessen. Er ist ein zeitgemäßes Instrument. (Werner Knoedgen) Im Laufe der Jahre habe ich mit einer Vielzahl von verschiedenen Medien gearbeitet, darunter Zeichnung, Performance, Video und Skulptur. 1995 begann ich mit Industrie-Scannern zu arbeiten und experimentierte zunächst mit allem, was mir zum Scannen geeignet schien, bis ich auf Tulpen stieß – ein häufiges Thema in der barocken Stilllebenmalerei, vor allem in den Niederlanden. Die Bedeutung von Blumen hängt vom kulturellen Kontext des Betrachters ab. Ich interessiere mich sehr für Vielfalt und Pluralität der Wahrnehmungen in Bezug auf ihr unterschiedliches kulturelles Erbe. Soziale Identität kann im Zeitalter der Globalisierung kann als transkulturelles Phänomen und als eine Auseinandersetzung mit westlichen Kolonialismus und Imperialismus betrachtet werden. Ich habe großen Respekt vor Natur und Umwelt. Ein Großteil meiner Arbeiten basiert auf Proben aus der Natur unter vorgegebenen Kontexte, wie z.B. meinem Untersuchungsprojekt im Amazonaswald. Künstlerisch konzentriere ich mich vor allem auf Farbeffekte, die zur Malerei tendieren.
Ausbildung
- 1984 - 86 | "Bildende Kunst", Sorbonne Paris (FR)
- 1977 - 81 | "Geschichte", Université Paris VIII Vincennes (FR)
Institution (Berufserfahrung)
- 1988 - 2010 | Dozentin im Studiengang Figurentheater, Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Stuttgart (DE)
Ausgewählte Auszeichnungen
- 2011 | Casa de las Américas, Havanna, Premio de Fotografía Contemporán (CU)ea, Cuba
Ausgewählte Ausstellungen / Publikationen
- 2019 | Foundation Prussian Gardens and Palaces, Schloss Caputh (DE)
- 2019 | Me Collector´s Room, Berlin (DE)
- 2018 | Sanya Museum of Contemporary Art, Sanya (CN)
- 2018 | Museum Ijsselstein, Ijsselstein (NL)
- 2017 | Curitiba International Biennial of Contemporary Art, Curitiba (BR)
- 2017 | Centre d'Art et de Nature, Domaine de Chaumont-sur-Loire (FR)
- 2016 | Galerie Schlichtenmaier, Stuttgart (DE)
- 2016 | Archives Nationales, Paris (FR)
- 2016 | MAM Museum of Modern Art, São Paulo (BR)
- 2015 | Fabian & Claude Walter Galerie, Zürich (CH)
- 2014 | Galerie Mikael Andersen, Kopenhagen (DK)
- 2013 | Pinacoteca do Estado, São Paulo (BR)
- 2012 | Tokyo Art Museum, Tokyo (JP)
- 2010 | Galerie Nara Roesler, São Paulo (BR)
- 2009 | Centre d'Art et de Nature, Domaine de Chaumont-sur-Loire (FR)
- 2006 | Künstlerhaus Bethanien, Berlin (DE)
- 2005 | Istanbul Biennale, Istanbul (TR)
- 2002 | Württembergischer Kunstverein, Stuttgart (DE)
Persönliche Website
http://www.luziasimons.deArbeiten
Luzia Simons | Stockage (1996 - heute)
Luzia Simons | Stockage (1996 - heute)
Luzia Simons beginnt 1996 mit der Stockage-Serie und entwickelt seither immer wieder neue Bildmodalitäten. Für ihre Kompositionen verwendet die Künstlerin einen Scanner. Diese “Scanogramme” – eine von ihr entwickelte Technik – werden dann im Lichtstrahl-Druckverfahren hergestellt und in hochglänzender Ausführung montiert wird, sowohl in kleineren als auch in monumentalen Größen. Im Werk von Luzia Simons erhält das Blumenstillleben eine vielschichtige kulturelle und gesellschaftspolitische Aussage. Die Künstlerin setzt sich mit der Geschichte der Tulpe auseinander, die sowohl im Orient als auch im Okzident zu einem wichtigen Identifikationssymbol wurde. Aus dieser Historie heraus avanciert die Tulpe bei Luzia Simons zur Metapher für Globalisierung, interkulturelle Identität und kulturelles Nomadentum. Die Künstlerin stellt die Frage nach der Verwurzelung des Individuums in der heutigen Zeit. Was gibt uns Heimat, was stiftet Identität?
Format:
Foto / Video
Luzia Simons | Humboldt ist niemals da gewesen (2013 -2017)
Luzia Simons | Humboldt ist niemals da gewesen (2013 -2017)
Luzia Simons unternahm zwei Forschungsexpeditionen im Amazonasgebiet. Die Serie "Humboldt ist niemals da gewesen“ besteht aus 12 Schwarz-Weiß-Fotografien, die den Regenwald aus verschiedenen Perspektiven darstellen. Wie der Titel besagt, konnte der Naturforscher Alexander von Humboldt den brasilianischen Amazonas niemals erkunden. Hier verwendete die Künstlerin einen alten Polaroidfilm, dessen charakteristische Ästhetik des Sofortbildes mit verschwimmenden Konturen an historisches dokumentarisches Material erinnert. Gleichzeitig verleiht die moderne Technik eines Farbstofftransfer-Verfahrens, bei dem die Fotos auf Aluminiumplatten aufgebracht werden, den Bildern einen dreidimensionalen Effekt. Die Serie "Jardim", Kompositionen aus verschiedenen tropischen Pflanzen, ist von den Gärten des modernistischen brasilianischen Landschaftsarchitekten Burle Marx beeinflusst.
Format:
Foto / Video
Luzia Simons | Blacklist (2013 - 2015)
Luzia Simons | Blacklist (2013 - 2015)
„Blacklist“ ist der Serientitel für Scanogramme mit kulturhistorischem Bezug auf die Tradition der Herbaria. In der Anordnung der Details vor neutralen Hintergrund – der System hat im Werk von Luzia Simons – muten diese filigranen Arbeiten an wie eine Hommage an Maria Sibylla Merian (1647-1717). In zahlreichen Studien schuf Merian die „Metamorphosis Insectorum Surinamensium“, mit denen sie die Insektenkunde begründete. Luzia Simons baut solche fragilen Lebewesen nach, allerdings mit Blütenblättern, die das Insektenhafte verfremden und ins spielerisch Leichte wenden. Mit der Metamorphose ins Pflanzliche zeigt Luzia Simons einen weiteren Transfer, der die Wesenheit selbst in Frage stellt. Was bleibt, ist ein weiterer Anflug von unbändiger, profaner Schönheit, die in ihrer quasi-wissenschaftlichen Systematisierung, anders, aber nicht minder als in der inszeniert überbordenden Prachtentfaltung der „Stockage“-Bilder, auf die unendliche Vielfalt der Natur und den stetigen Wandel des Lebens schlechthin hinweist. (Günter Baumann)
Format:
Foto / Video
Luzia Simons | Camera Obscura (1986 - 1997)
Luzia Simons | Camera Obscura (1986 - 1997)
Ganz bewusst bedient sich Luzia Simons eines der Lochkamera verwandten Apparates. Es ist eine der Frühzeit und ihrer Archäologie entstammende Technik der photographischen Aufnahme. Gezielt setzt sie deren konzeptuelle wie ästhetische Qualitäten ein. Wirkung dieser potentiellen Veränderung des Bildes ist sowohl seine Fragmentierung wie auch die Arretierung des Geschehens in der Zeit, also des Momentums – mit der ihm innenwohnenden Vorstellung einer Veränderung in der Zukunft. Durch die Methode der Lochkamera werden Blick und Licht auf ein Detail im Zentrum gerichtet, während der Rest des Bildes in samten umgebender Dunkelheit verschwindet. Körperteile mit ihren subtilen Verläufen und Rundungen, aber auch Pflanzen und Früchte, stehen in einem caraveggesken Dunkel, werden dramatisch durch das Licht hervorgehoben. Der Blick der Photographin ist immer, gleich welchem Objekt gegenüber, geprägt von der erotischen Inbesitznahme der Welt. (Peter Weiermair)
Format:
Foto / Video