Jean-Christophe Godet

Kurz-Biografie

Jean-Christophe Godet, geboren in der Normandie, Frankreich, ist der Gründer und künstlerische Leiter des Guernsey Photography Festivals, das 2010 ins Leben gerufen wurde. Das Guernsey Photography Festival bringt große Namen der internationalen Fotografie mit einer Vielzahl aufstrebender Talente für einen Monat voller Ausstellungen, Projektionen, Vorträge, Workshops und Veranstaltungen auf die Insel. Das Festival ist mittlerweile als eines der wichtigsten und erfolgreichsten kulturellen Ereignisse auf Guernsey etabliert und hat sich unter den besten Fotofestivals in Europa positioniert.

(Portrait: © Peter Franklin/Guernsey Press)

Kuratoren-Statement

„GEORDNETES CHAOS

"Geordnetes Chaos" ist vielleicht eine Reflexion über unsere eigene Existenz. Es ist dieses unstillbare Verlangen, das uns ständig zum Hinterfragen und zur Suche nach Bedeutungen antreibt, ohne notwendigerweise Antworten zu finden. Der endlose Versuch, einen Sinn und einen Zusammenhalt in einer Welt des Durcheinanders und der Verwirrung zu finden.

Diese kleine Sammlung zeigt viele verschiedene Formen der Instabilität.

Da ist die Figur von Karina-Sirkku Kurz, die mit einer Essstörung zu kämpfen hat und diese vor den Augen des Betrachters verbirgt, indem sie sie in einen Kleiderstapel einwickelt. Da ist auch die genähte Fotografie eines Kindes von Gisoo Kim, das wie ein Störfaktor in unserer Vorstellung von Normalität erscheint. Die Erkundung kann tief in etwas Beunruhigendes eintauchen. Klaus Elles Experiment mit Langzeitbelichtungsfotografien, die er in seiner Höhle aufgenommen hat, scheint eine Reise der Selbstfindung durch Angst und Aufruhr zu sein.

Der Aufruhr ist nicht nur psychisch und physisch, sondern auch ökologisch, geografisch und räumlich. Bertram Kober zeigt verwundete Landschaften, die durch den Raubbau des Menschen an der Natur verwüstet wurden. Die technologisch erzeugten Bilder von Achim Mohné, Sabine Schründer und Axel Bayer stellen unsere Wahrnehmung von Realität und Ästhetik in Frage und verstärken für einige die Vorstellungen von Abwesenheit, Verlassenheit und Leere.

Manche Künstler finden ihre Inspiration in unserem chaotischen Alltag wie Torsten Schumann, Wolfgang Zurborn oder auch Claus Bach mit seiner Fotografie-Performance "Planking". Hinter einem spielerischen, fast instinktiven Umgang mit dem Medium verbergen sich intelligente, kritische Beobachtungen, die eine komplizierte Welt voller Widersprüche offenbaren. Eine Welt, die künstlich, lächerlich, verwirrend und dennoch schön und humorvoll erscheinen kann.

In dieser existenziellen Krise gefangen, könnte der Eskapismus für manche als alternative Lösung erscheinen, mit dem Risiko, sich dabei weiter zu verlieren. Birte Kaufmanns starkes Porträt eines jungen irischen Traveller, der abwesend und völlig losgelöst von der Realität wirkt, erinnert an Andreas Weinand der rebellische Teenager porträtiert, die mit Drogen und Alkohol versuchen, ihre eigene Wahrheit zu finden.

Während ich diesen Text schrieb, entdeckte ich, dass der Buddhismus (ich bin übrigens kein Buddhist) die Existenz als geordnetes Chaos ansieht. "Durch meditative Praktiken, die mit dem Mandala-Prinzip verbunden sind, werden die Gegensätze der Erfahrung - Verwirrung und Erleuchtung, Chaos und Ordnung, Schmerz und Vergnügen - als untrennbare Teile einer Gesamtsicht der Realität enthüllt. (1)

Wir mögen die Antworten nicht kennen, aber vielleicht, so scheint Florian Beckers Bild von drei Individuen, die einen leeren schwarzen Himmel betrachten, anzudeuten: unsere fortwährende Suche nach dem Sinn unserer Existenz könnte nur ein Weg sein, um eines Tages Mut zu finden, dem Nichts ins Auge zu sehen.

Jean-Christophe GODET, 16.Februar 2021

(1) Auszug aus "Das geordnete Chaos - Das Mandala-Prinzip" von Chogyam Trungpa"

Möchten Sie über unsere Gastkurator*innen informiert bleiben? Abonnieren Sie unten unseren Newsletter.

Auswahl

© Karina-Sirkku Kurz: „Ungleichgewicht“ (2012 - 2015)

© Gisoo Kim: „Dreaming“ (2012 - 2019)

© Klaus Elle: „Erleuchtungen“ (1986 - 1999)

© Bertram Kober: „Carrara“ (2007)

© Axel Beyer: „BEBRA CURIOSA“ (2008 - 2010)

© Achim Mohné: „3D-GOOGLE-EARTH-MODELS2 (2018 – heute)

© Sabine Schründer: „Ellipsen“ (2010)

© Torsten Schumann: „Being Prepared“ (2009 - 2019)

© Wolfgang Zurborn: „Playtime“ (2015 - 2019)

© Claus Bach: „Planking“ (2011 - heute)

© Birte Kaufmann: „The Travellers“ (2011- 2015)

© Andreas Weinand: „Colossal Youth“ (1988 - 1990)

© Florian Beckers: „Night Scenes - Part 1“ (1999 - 2019)

Veröffentlicht am: