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Veranstaltung:

Objekt des Monats | August 2021

Stadt:

Hamburg

Adieu und gute Reise

Das Medium Fotografie streift nah am unsichtbaren Tod vorbei, zeigt das, was einmal dagewesen ist und das, was irgendwann nicht mehr sein wird. So hat es Roland Barthes in „Die helle Kammer“ beschrieben. Die Deutsche Fotografische Akademie nimmt Abschied von zweien ihrer Mitgliedern: Im Alter von 95 Jahren ist F.C. Gundlach am 23. Juli 2021 verstorben. Wir erinnern an den Mann, der wie kein anderer die deutsche Fotografieszene prägte, mit einem Textportrait von Marlene Schnelle-Schneyder im Archiv-Objekt des Monats August.

Ebenfalls verstorben ist Adolf Clemens in Münster am 15. Juli 2021, kurz vor seinem 80. Geburtstag.

Marlene Schnelle-Schneyder

F.C.Gundlach | Im Auftrag der Mode – immer unterwegs in der Welt der Bilder

Als Franz-Christian Gundlach die photographische Modebühne betrat, war das keinesfalls eine Solopartie. Auf der Szene waren zu der Zeit einige Charakterdarsteller zu finden, die sich beim Publikum bereits einen Namen gemacht hatten.

Die fünfziger Jahre waren immer noch von der Nachkriegszeit geprägt, die Kulisse der Schuttberge noch nicht getilgt und erinnerte an die schrecklichen Kriegsjahre, an Diktatur und Faschismus. Aber der Krieg war zu Ende. Es existierte ein großer Nachholbedarf an Unbeschwertheit, an Fröhlichkeit und eine Sehnsucht nach Schönheit. Zwischen Flucht, Alarmen und Hunger hatten wir vergessen, wie sich das anfühlt.

Neben einigen Illustrierten gründeten sich eine Reihe von Modezeitschriften: 1948 Film und Frau und Constance, 1950 Madame. Film und Frau auf Kupfertiefdruck mit goldenem Logo entsprach so ganz den Träumen der Nachkriegszeit. Filmstars und die ersten deutschen Mannequins zeigten Mode der ersten deutschen Modehäuser. Hubs Flöter und Regi Relang setzten sie ins Bild. Auch die Filmstars Nadja Tiller und Ruth Leuwerik waren begehrte Modelle. Die Models verloren ihre Anonymität und wurden zu der Van Cleef oder Gloria. Mir ist besonders Elfi Wildfeuer als Model im Gedächtnis, die sich damals mit einem besonders aparten Gesicht, Eleganz und einer besonders schmalen Taille präsentierte.

Gundlach schien für seine Rolle vorbestimmt. 1926 in Heinebach/Hessen geboren, besaß er bereits mit 12 Jahren eine Agfa Box und bald auch eine Dunkelkammer im eigenen Zimmer. Die Photographie hatte ihn gepackt und er begnügte sich nicht mit der Nebenrolle, es zog es in das Rampenlicht.

Doch die Zeiten machten ihm zunächst einen Strich durch die Rechnung. 1943 Luftwaffenhelfer, 1944 Wehrmacht, dann Kriegsgefangenschaft und Lazarett. Aber er hatte sein Ziel nicht aus den Augen verloren. Auf die Kriegserlebnisse folgte eine Ausbildung an einer privaten Lehranstalt für Photographie. Aus Franz-Christian wurde F.C. und 1949-52 Assistent in verschiedenen Studios in Wiesbaden und Stuttgart. Dann wagt er den Sprung nach Paris, was 1951 keinesfalls so unkompliziert wie heute war. Man brauchte Einladungen für ein Visum, Deutsche waren nicht unbedingt die Traumtouristen oder Volontäre für die Franzosen. Bei einer Reihe deutscher Zeitschriften: Stern, Quick, Die Deutsche Illustrierte und die Revue, konnte er erste Veröffentlichungen unterbringen.

Schon nach einem Jahr machte sich F.C. Gundlach als freier Photograph in Stuttgart selbstständig. Ihn interessierten zunächst Theater- und Filmreportagen, 1953 wehte dann ein frischer Wind durch die Modewelten. Film und Frau hatte F.C. Gundlach engagiert und er photographierte zu ersten Mal Mode für sie. Portraits von Filmgrößen hatte er bereits zu seiner Pariser Zeit geliefert.

Wie schon erwähnt, waren es bekannte Namen, die für Film und Frau photographierten als F.C. Gundlach diese Szene eroberte. Sein Erfolg war durch die Erweiterung seiner Rolle zu erklären. Er führte ganz bewusst Regie. Er interpretierte die jeweilige Mode mit eigenen Bildvorstellungen, was in der Auftragsphotographie Beharrlichkeit, Eigenwilligkeit und Selbstbewusstsein erfordert. Da wurden Badekappen mit Pyramiden verbunden, extravagante Designermodelle in Straßenszenen gesetzt, wobei die Pose auch gleichzeitig als Bildmittel verstanden wurde.

Ganz deutlich konnte er diese Handschrift entwickeln als er1963 zu der Zeitschrift Brigitte ging. F.C. Gundlach hatte erkannt, dass sich da ganz leise ein neues Frauenbild entwickelte. Der Glamour wurde von der berufstätigen Frau abgelöst, die Haute Couture von prêt-à-porter. In diesen langen Jahren (bis 1986) stellte er seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis, aber er bleib seinem Sujet treu. Seine Bilder sind keine Zeitzeugen, mit denen man in den sechziger Jahren glaubte, die Welt verändern zu können. Er verfolgte sein Ziel, photographierte Mode zu einer kulturellen Zeitaussage zu machen. Er konzentrierte sich darauf, Kreativität und Dynamik in die „stillen“ Bilder zu bringen und die Klaviatur von formaler Strenge bis zu zufälliger Leichtigkeit auszureizen.

Das Bemerkenswerte an F.C.Gundlach ist seine Vielseitigkeit: Wegweisender Photograph, Sammler (lange bevor die Photographie die Weihen der Kunst erhielt), Unternehmer, Kurator, Galerist, Autor, Herausgeber, Redner. Ich habe ihn bei Paris Photo erlebt, als er mit Begeisterung und glänzenden Augen durch die Kojen düste und rote Punkte vermehrte. Seine Sammlung: “Das Bild des Menschen in der Fotografie“ ist durch Bilder ergänzt, die sich von seiner eigenen Produktion unterscheiden. Nan Golding oder Wolfgang Tillmans zum Beispiel haben andere Bildwelten realisiert.

Einige Jahre habe ich mit ihm in der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPH) im Vorstand gearbeitet. Er hat die Gabe, sachkundige Argumente zum richtigen Zeitpunkt anzuführen. Dabei paart sich persönliche Distanz mit Leidenschaft für das Medium, Vision mit dem Machbaren und Überblick mit dem Interesse fürs Detail.

Ein weiser Mann bestellt sein Haus. Die F.C. Gundlach Stiftung in Hamburg verwaltet sein Archiv und seine Bilder, was auch die Frage nach digitaler Aufarbeitung und Haltbarkeit zur Diskussion stellt. Und F.C. Gundlach, „der immer nach vorne schaut“, hat mit philosophischer Einsicht ein Tabu-Thema angefasst, was schon diverse Kritiker auf den Plan gebracht hat. Er hat den Ort in Hamburg bestimmt, an dem diese erfolgreiche Lebensreise seine letzte Ruhe finden wird.

Im Moment steht das für den Gentleman unter den Photographen nicht zur Debatte. Er ist quicklebendig, voller Erwartung, interessiert und offen für neue Entwicklungen.

Marlene Schnelle-Schneyder

Am 19. November 2009 wird im Martin-Gropius-Bau Berlin seine große Schau: F.C. Gundlach- das fotografische Werk eröffnet, die bis zum 14. März 2010 dauern wird.

DFA-Pressematerial:

Marlene Schnelle-Schneyder | F.C.Gundlach: Im Auftrag der Mode – immer unterwegs in der Welt der Bilder

Marlene Schnelle-Schneyder | F.C.Gundlach: Im Auftrag der Mode – immer unterwegs in der Welt der Bilder

Anstelle eines Nachrufs: Marlene Schnelle-Schneyders Porträt von F.C.Gundlach anlässlich seiner Retrospektive im Gropiusbau Berlin 2009-2010.

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