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Veranstaltung:

Finalist*innen des 1. Online Portfolio Walks

Die Bewerbungen zur ersten Staffel des Online Portfoliowalks der Deutschen Fotografischen Akademie haben deutlich gemacht, dass es eine neue Vielfalt in den stilistischen Ausrichtungen der zeitgenössischen Fotografie gibt. Der Glaube an die Objektivität des Mediums schwindet und es entwickelt sich ein Freiraum für ein breites Spektrum konzeptioneller und experimenteller Arbeitsweisen. Für die Jury war es nicht einfach, aus diesem Reichtum subjektiver Wahrnehmungen unserer Lebenswelt nur fünf Positionen auszuwählen, die der gegenwärtigen künstlerischen Fotografie neue Impulse geben können.

Technisch, ästhetisch und psychologisch hinterfragt Katrin Jaquet in ihrer Serie "neg" das Bilderarchiv ihrer eigenen Familiengeschichte. Einen ungeschminkten Blick auf Freundschaft und Liebe vermittelt das visuelle Tagebuch "Fuck Me" von Josh Kern. Elena Helfrecht verwendet dagegen mit Inszenierungen familiären Archivmaterials der Serie "Plexus" eine konzeptionelle Strategie, um ein subjektives Konstrukt von Erinnerung zu schaffen. Mit einer ausgefeilten Montagetechnik von Standbildern aus der von omnipräsenten Medienbildern geprägten Alltagswelt kreiert Ying Shao mit den Fotografien ihrer Serie "Sehen-Medusa" visuelle Schnittstellen zwischen Realität und Fiktion. Der Wahrnehmungsprozess von Wirklichkeit ist auch das Kernthema von Bärbel Möllmann, die reale Räume in eine "Camera Obscura" umbaut.

DFA-Pressematerial:

Katrin Jaquet | neg

Katrin Jaquet | neg

Jurorin Ruth Stoltenberg über die Arbeit: "Nach dem Tod ihrer Mutter werden Katrin Jaquet mehrere Alben und Kartons mit Familienbildern aus 5 Generationen überlassen. Einige Jahre später packt sie diese Bilder aus und ver- und bearbeitet sie in einer wunderbaren fotografischen Arbeit, der Serie ‚neg‘. Beim Sichten erschienen ihr die vielen Bilder mit all den glücklichen Menschen, die da in schönen Momenten abgelichtet waren, nicht ehrlich genug. Ihr fehlten die Schattenseiten des Lebens, das Negative, und sie begab sich in einen äußerst kreativen Schaffungsprozess. Sie wandelte Fotografien digital um in Negative, überlagerte positive und negative Bilder im doppelten Sinne, schichtete Menschen und Gesichter und Generationen solange übereinander, bis stimmige Bilder entstanden - stimmig aus psychologischer, aber auch ästhetischer Sicht. Bilder, die Vertrautheit und Befremdung zugleich hervorrufen, die berührend und spannend sind." Katrin Jaquet über ihre Arbeit: „In meinen Arbeiten beschäftige ich mich mit dem Medium Fotografie und seinen Funktionsweisen. Mich interessiert, wie technische und psychologische Aspekte der Fotografie ineinander greifen. In der Serie „neg“ geht es um Familiengeschichte. Von einem sehr persönlichen Ansatz ausgehend, setze ich mich mit allgemeinen Fragestellungen auseinander. Nach dem Tod meiner Mutter vor einigen Jahren habe ich sämtliche Familienfotos übernommen. Chronologisch geordnete Alben, aber auch Kartons voller unsortierter Bilder aus fünf Generationen. Die meisten Fotos vermitteln das Bild einer intakten Familie – ein positives Bild. Und so wie auf den Bildern kein Streit zu sehen ist, fehlen im Archiv die Negative. Mich interessiert die Idee des Negativs als Potenzial – technisch, ästhetisch und psychologisch. Also stelle ich die Negative digital her und überlagere sie mit Positiven, indem ich ähnliche Motive aus verschiedenen Generationen kombiniere. Dabei suche ich den Punkt, wo sich Positiv und Negativ zu etwas Neuem verbinden, das meinem inneren Bild entspricht und gleichzeitig über mein individuelles Erleben hinausgeht. Letztlich erscheinen mir die Bilder nun eher wie Röntgen-Aufnahmen einer durchschnittlichen westdeutschen Mittelstandsfamilie, in der hinter der vordergründig glücklichen Fassade Spannungen und Unsicherheiten auftauchen. Und auch wenn ich es erst ausklammern wollte, scheinen auch die Spuren der Nazizeit durch. Kaum in Form von Uniformen oder Abzeichen, aber doch in Haltungen, Gesichtsausdrücken und Stimmungen.” Kurzbio: 1971 geboren in Rendsburg. 1991 –98 Studium Kunst und Romanistik in Kiel und Paris bei Renate Anger, Hubertus von Amelunxen, Alain Bonfand und Jean-François Chevrier. 1998 Kunstpreis NordWestLotto, 1999/2000 Stipendium Künstlerhaus Lauenburg, seit 2000 in Berlin.

Format:

Foto / Video

Josh Kern | Fuck Me

Josh Kern | Fuck Me

Juror Andreas Langen über die Arbeit: "Josh Kern ist ein junger Kerl, der ziemlich genau fünf Freunde hat, eine unbekannte Zahl an Skateboards, eine Freundin mit Tattoos und großen dunklen Augen, eine analoge Kamera, tiefe Selbstzweifel, eine Vorliebe für Fensterplätze in der Bahn, einen blauen Vogel im Herzen, der immer nur nachts rauskommt, einen klugen Lehrer, der ihm geraten hat, immer das Allerpersönlichste in seine Arbeit zu legen, und vor allem verdammt viel Talent. Sein Fototagebuch "Fuck Me" ist viel sensibler als der rotzige Titel glauben macht, eine zeitlose Hymne an den vertrackten, glühenden, großartigen und anstrengenden Zustand, den man Jugend nennt. Schön, dass die Film-Bilder von Josh Kern so unscharf, griesig und flusig aussehen. Perfektion ist fürn Arsch. Wenn dein Buch fertig ist, schick es an Nan Goldin, Josh. Falls sie kein Herz aus Stein hat, schreibt sie dir das nächste Vorwort." Josh Kern über seine Arbeit: „‘Fick mich‘ ist eine fortlaufende Geschichte über Jugend, Freundschaft, Liebe, Enttäuschung, Verlorensein und Selbstfindung. ‚Ich war besessen davon, die Welt um mich herum zu dokumentieren. Meine Kamera war immer bei mir und wurde irgendwie ein Teil von mir selbst‘. Es gab mir die Erlaubnis, nicht schüchtern zu sein, und die Fähigkeit, zu zeigen, wie intensiv und schön ich das Leben wahrnehme. Ich habe etwas gefunden, wo ich schamlos ausdrücken kann, was ich fühle, meine kritischen Blick auf unsere Generation und mich selbst und meine Liebe zum Leben im Allgemeinen.“ Kurzbio: Josh Kern wurde 1993 in Kaiserslautern, Deutschland, geboren. Er studiert derzeit an der University of Applied Sciences and Arts, Dortmund und ist auf dem Weg zum Bachelor in Fotografie. In den letzten vier Jahren fotografierte er eine Serie über seine Freunde, die vor kurzem als Buch bei "dienacht Publishing" veröffentlicht wurde (Fuck Me).

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Foto / Video

Elena Helfrecht | Plexus

Elena Helfrecht | Plexus

Juror Ingo Taubhorn über ‚Plexus‘: „Die Beschäftigung mit der eigenen persönlichen Geschichte unter Verwendung von Archivobjekten ist in der zeitgenössischen Fotografie so populär wie nie. Elena Helfrecht (geboren 1992 in der oberfränkischen Stadt Marktredwitz im Fichtelgebirge) begibt sich auf die Spuren ihres Stammbaumes und schafft mithilfe des Familienarchivs überraschende Schwarz-Weiß-Bildinszenierungen, die zwischen Wirklichkeit und Erfindung balancieren und dadurch eine ganz neue (Lebens-) Geschichte erzählen.“ Elena Helfrecht über ihre Arbeit: "‘Plexus’ beschäftigt sich mit indirekt weitergegebenen Erinnerungen, mit vererbtem Trauma und mit den Verbindungen zwischen überlieferter Geschichte und der heutigen Welt. In den Bildern begebe ich mich mithilfe meines Familienanwesen und -archivs auf die Spuren meines Stammbaums. Im Prozess des fotografischen Erinnerns setze ich Fragmente einer unvollständigen Geschichte neu zusammen, bei der es nicht um historische Richtigkeit geht, sondern um das Aufzeigen von Brücken zwischen dem Jetzt und Damals. Archivobjekte werden neu inszeniert und zusammengesetzt, und verbinden die an ihnen haftende Narrative mit neuen Zusammenhängen. Traumartige Szenerien verbinden was vergessen ist und erhalten bleibt. Als Fallstudie sollen die Bilder den Einfluss der Familie in der Entdeckung von sich wiederholenden psychologischen und kulturellen Prozessen innerhalb der Geschichte andeuten. Dabei wird das Haus zum Symbol für die Welt, und verbindet eine persönliche mit der gemeinsamen Geschichte." Kurzbio: Elena Helfrecht (geb. 1992 in Marktredwitz, lebt und arbeitet in London und Bayern), ist bildende Künstlerin mit Schwerpunkt auf Fotografie. Im Jahr 2019 schloss sie ihren Master in Fotografie am Royal College of Art in London mit Auszeichnung ab, nachdem sie ihr Bachelorstudium der Kunstgeschichte und Buchwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen 2015 erfolgreich beendete und von 2016 bis 2017 Kunst und Bildgeschichte an der Humboldt-Universität in Berlin studierte.

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Foto / Video

Ying Shao | Sehen-Medusa

Ying Shao | Sehen-Medusa

Juror Wolfgang Zurborn über die Arbeit: „Ying Shao entführt uns mit den Fotografien ihrer Serie „Sehen-Medusa“ an Schnittstellen zwischen dem realen gesellschaftlichen Leben und einer fiktiven Imagination von Welt. In der von omnipräsenten Medienbildern auf Bildschirmen, Plakaten, Displays, Screenings umgebenen Alltagswelt ist es für den zeitgenössischen Menschen kaum mehr möglich, die vielfältigen Reize und Botschaften zu bewältigen und dabei subjektive Empfindungen zu bewahren. Der urbane und mediale Raum werden in den Momentaufnahmen und radikal fragmentarischen Einschnitten in die Konsumwelt zu einer Sequenz montiert, die dem Bilderrausch Ausdruck verleiht und zugleich ein reflexives Innehalten möglich macht.“ Ying Shao über ihre Arbeit: „Medusa bezieht sich sowohl auf die Göttin in der antiken griechischen Mythologie, von der man auf einen Blick versteinert werden kann, als auch auf die Quallen in der Unterwasserwelt. Es bedeutet, dass die reale Existenz mit der Fantasie verbunden und gleichzeitig tief mit der Bewegung des "Sehens" verbunden ist. Bildschirme und Optiken füllen unsere heutige Welt. Diese erzeugten Bilder aus der Fantasie sind wie Rauch, wie ein gewohnheitsmäßiges Medium, das in die Luft, in der wir leben, eintreten. Farbe, Überlagerung, Reflexion, wenn wir endlich auf den Bildschirm schauen, wo ist die Realität und wo ist die Vorstellung? Bewegen wir uns ständig zwischen der realen Welt und der Fantasiewelt, sind wir bereits Teil einer Fantasie geworden, die auf einem Spiegel dargestellt wird?“ Kurzbio: Ying Shao wurde 1990 in Wuxi, Jiangsu, China geboren. Von 2009bis 2014hat sie Architektur an der Tongji Universität in Shanghai studiert. Danach hat sie in Shanghai gearbeitet. Seit 2018 bis jetzt studiert sie an der TU Braunschweig für ein Masterstudium. Von 10.2019 bis 01.2020 hat sie an Wolfgang Zuborn’s Fotoworkshop „Wo ist Kino?“ teilgenommen. Währenddessen besuchte sie öffentliche Räume wie zB. Media Markte, Kinos, Tierhandlungen in Braunschweig, Wolfsburg, Hannover und Berlin.

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Foto / Video

Bärbel Möllmann | Camera Obscura

Bärbel Möllmann | Camera Obscura

Juror Jürgen Scriba über die Arbeit: "Die Camera Obscura ist das älteste bildgebende Verfahren, rund tausend Jahre bevor es mit der Erfindung fotografischer Prozesse gelang, diese Bilder dauerhaft zu fixieren. Zahlreiche Künstler experimentieren auch in der Neuzeit mit der Methode, doch eine konzeptionell und künstlerisch so überzeugende Umsetzung wie die Arbeiten von Bärbel Möllmann ist eine Ausnahme. Die zur Camera konvertierten Räume erhalten in der künstlerischen Intervention eine eigene Rolle, und schon der genial simple Perspektivenwechsel, die Bildrichtung an der Projektion zu orientieren, lässt Welten entstehen, in denen Topfpflanzen und Durchlauferhitzer der Gravitation trotzen." Bärbel Möllmann über ihre Arbeit: "Seit 1996 arbeite ich mit der mit der Camera obscura, bzw. einer Lochkamera. In meiner künstlerischen Arbeit beschäftige ich mit dem gesellschaftlichen Wandel, oft in Bezugnahme von Interviews und in Kombination mit Lochkamera Portraits oder Landschaftsaufnahmen. Die eingereichten Fotografien entstanden alle in Räumen, die in eine Camera obscura umgebaut wurde. In den Arbeiten geht es mir nicht nur um die entstehende Aufnahme, sondern viel mehr, oder sogar noch mehr, um den Prozess und die Wahrnehmung von Wirklichkeit. Wie entsteht das Bild? Wie nehmen wir den Moment wahr, in dem das Bild entsteht? Wie lange ist ein Moment? Was sieht der Fotograf? Was sieht der Betrachter in dem Bild? Ende der 90er Jahre entstand eine weit gefasste Debatte, die als „pictural turn“ bezeichnet wird, in der die Camera obscura als Ausgangspunkt der Sichtweise gesehen wird. Es wird das Verhältnis der Wahrnehmung der Welt, der Reproduktion dieser und der dazugehörigen Reflektion ausführlich und mit verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. So formulierte William John Thomas Mitchell die Fragen: Was ist ein Bild? Er orientierte sich an der Materialität des Bildes und möchte die Wende zum Bild mit sozialen und politischen Fragen verbinden. Jonathan Crary fügte in Techniken des Betrachters: Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert, noch die Reflektion, der Innen- und Außenwelt hinzu. Ausgehend von dieser Diskussion sind die eingereichten Arbeiten entstanden. So geht es mir bei dem Bau einer Camera Obscura nicht einfach nur um den sogenannten Camera-obscura-Effekt, sondern um: den Innen- und Außenraum und wie dieser wahrgenommen wird, der Umkehrung des Raumes, um dem Flüchtigen Moment UND der Reflektion von Raum und Zeit, sowie den politischen und sozialen Kontext der Immobilienwelt." Kurzbio: Bärbel Möllmann geboren in Bocholt, ist Künstlerin und Kuratorin, arbeitet und lebt in Berlin and Düsseldorf, Deutschland. Studierte an der Tyler School of Art, Philadelphia (US) und der University of Applied Science, Bielefeld (DE).

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