Johanna Jackie Baier | Julia (World Premiere: 70. Mostra Internazionale d’Arte Cinematografica/La Biennale di Venezia, 31.08.2013)
Eine Geschichte von Leidenschaft, Erniedrigung und Einsamkeit, von Verzweiflung und Aufruhr.
Was genau treibt einen Jungen von der Kunstschule dazu, sein Zuhause in Klaipeda / Litauen zu verlassen, um als Mädchen in den Straßen von Berlin, in stickigen Hinterzimmern und auf verklebten Sesseln eines Sexkinos den eigenen Körper zu verkaufen?
Über mehr als zehn Jahre begleitet Photographin und Filmemacherin J.Jackie Baier die heute 30-jährige Transsexuelle Julia K. durch ihr Leben als Straßenhure, Outlaw und Nonkonformistin, die ohne gesellschaftliche Übereinkünfte lebt.
„Ich kann nicht sagen, dass ich eine Frau bin, aber ich bin auch kein Mann. Ich bin etwas... - ein Geschöpf Gottes, aber ein krummes Geschöpf Gottes. Der Gott hat nicht aufgepasst bei meiner Geburt.“ - sagt Julia von sich. Andere Autoritäten als diesen Gott, der sich geirrt hat, akzeptiert sie nicht. Sie ist eine, die den „Contrat Social“ nie unterschrieben hat.
Sie spricht ein archaisches Deutsch, das hierzulande seit dem frühen 19. Jahrhundert nicht mehr gebräuchlich ist. Sie aquarelliert, zur Entspannung, wie sie sagt. Sie hat ein Einser-Abitur und einen Diplomabschluß an der Kunstschule von Klaipeda. - Und in Berlin ist sie eine transsexuelle Straßenhure, die bisweilen den Weg nach Hause nicht mehr findet.
(Pressetext, 2013)
Die Photos waren zuerst da.
Es war von Anfang an klar, daß ich sie unbedingt photographieren mußte. Umgekehrt war es ebenso klar, daß JULIA photographiert werden wollte. Sie liebte die Kamera und die Kamera liebte sie. Die Photos bestätigten ihr anfangs, daß sie schön war: schön für die Ewigkeit. Später, daß sie noch da war; die Photos bestätigten ihr, daß sie lebte. Und heute, manchmal, dienen sie ihr als Vorwand, daß jemand vorbeischaut, um sie zu sehen.
Oder ist es umgekehrt?
Bin ich diejenige, die einen Vorwand braucht?
Bin ich diejenige, die in den Photos nach Bestätigung sucht?
(directors‘ / photographers‘ statement 2013)