Über

Die Berliner Fotografin J.Jackie Baier arbeitet auch als Filmemacherin. Uraufführungen ihrer Filme bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin und Venedig. Baier lebt seit 1997 als Frau.

Statement

Es ist kompliziert. Es geht um Blicke, Momente, Bewegung, Verhältnisse. Jahrelang lebe ich praktisch nur nachts. Es ist, als lohne es sich nicht, die Kamera zu heben, solange es hell ist, solange ausreichend Licht verfügbar ist. - Selbst wenn endlich die Dunkelheit gekommen ist, sind mir die Motive meist zu sehr im Licht, wenn ich sie vorfinde. Ich suche nach einer Geschichte, die im Dunkeln liegt. Ich stelle mir Situationen vor, die nicht mehr real sind oder die es noch nicht sind – gleich, ob sie es je werden oder es je waren … Das Problem mit Licht ist meistens, es zu vermeiden. Mit etwas Übung gelingt das. Die Nächte hingegen gehen und kommen unvermeidbar. Ich gehe durch einen Raum, durchmesse ihn, sehe mich um – er ist dunkel und voll. Musik dröhnt, ein Bier an der Bar, weiter hinten ein paar Männer am Kicker, noch weiter – ein Backstage-Bereich, der aber den Namen nicht verdient: Weder sind die Künstler unter sich, noch sind hier ihre persönlichen Sachen sicher. Es ist einfach nur ein Raum hinter einer Tür mit einem Vorhang, unverschlossen, und es ist schon klar, daß Türen völlig sinnlos sind ohne Leute, die hindurchgehen – und das tun sie reichlich. Alles findet inmitten des Publikums statt, alles ist Party, alles wälzt sich um, tanzt, tobt, stößt an – Menschen, die Wodka verschütten, Menschen, die Bier holen, Männer, die schreien, um ihre Unterhaltung gegen die Musik zu behaupten, Leute, die vorwärtsdrängen, die an die Pinkelrinne wollen, oder zum Koksen aufs Klo. Vorbei die Zeit, wo man sich verabredete für ein intimes Portrait nach der Show, keine Höhle, keine ruhigen Momente, in denen Zeit sich in einem Blick sammelt … Alles wirkt amorph, das Licht löst die Konturen auf. Ich werfe mich in die rasend bewegte Dunkelheit und während ich abdrücke, wünsche ich inständig, getroffen zu werden.

Ausbildung

  • 1982 | Abschluss als Magister (Magistra) Artium, FB Literatur- und Sprachwissenschaften, Universität Essen mit einer Arbeit über „Alexander Kluges Phantasiebegriff als Basis seiner Filmästhetik“.
  • Studium an den Universitäten:
  • Universität Hamburg
  • Ruhr Universität Bochum
  • Universität Essen

Institution (Berufserfahrung)

  • 1999 – 2019 | Freie Photographin
  • 1982 – 2019 | Regisseur/Regisseurin, verschiedene Formate und Arbeitgeber (Studio Hamburg, UFA, Grundy-Ufa, Bavaria-Film, Bavaria Fernseh-GmbH); eigene Produktionsfirma J.Jackie Baier Filmproduktion (ab 2010).

Ausgewählte Ausstellungen / Publikationen

  • 2016 | Bucerius Law School, Hamburg (DE)
  • 2012 | warehouse9, Copenhagen (DK)
  • 2010 | Pimp The Timp, Galerie Lichtblick, Köln (DE)
  • 2010 | 4. EMOF, Kunstraum Richard Sorge, Berlin (DE)
  • 2009 | warehouse9, Copenhagen (DK)
  • 2009 | Ambacher Contemporary, Munich (DE)
  • 2006 | Haus am Kleistpark & Kunstraum Kreuzberg, Berlin (DE)
  • 2005 | Art & Henle, Berlin (DE)

Persönliche Website

http://fotografie.jackiebaier.de/

Arbeiten

Johanna Jackie Baier | Die Mädchen der Royal-Bar (2003 - 2019)

Johanna Jackie Baier | Die Mädchen der Royal-Bar (2003 - 2019)

Vor ein paar Jahren arbeitete ich in einer Animierbar. Eigentlich war der Laden ein Bordell. Hier arbeiteten ausschließlich Transsexuelle, und ich war eine von ihnen. Nach einer Weile fing ich an, die Mädchen zu photographieren. Bald ging es fast nur noch um die Photos. Ich photographierte meine Kolleginnen - sie verschafften mir Freier, damit ich Geld für Negative verdiente. Für sie war jeder Abzug ein Beweisphoto. Er bewies, daß sie schön waren. Für die Ewigkeit! Ich wiederum photographierte sie mit manchmal eifersüchtiger Neugier, begierig, ihnen ihr Geheimnis abzuschauen, wie sie es anstellten, sich so zu fühlen wie sie auf den Photos aussahen– absolutely faboulous, gewissermaßen: Bilder ihrer selbst.

Format:

Foto / Video

Johanna Jackie Baier | House of Shame (1999 - 2019)

Johanna Jackie Baier | House of Shame (1999 - 2019)

HOUSE OF SHAME ist eine Queer-Party in Berlin, die in jeder Donnerstagnacht Disco House Beats und Live Acts bietet. Jeden Donnerstag einen anderen act - seit 20 Jahren, ohne Unterbrechung. Chantal ist die Veranstalterin dieser Party - seit 20 Jahren. Davor ging sie 17 Jahre auf dem Transenstrich anschaffen. Chantal ist transsexuell. Eine Underground-Legende. Für mich war und ist Chantals House of Shame Berlins Hole Lotta Love, ein Loch voll Liebe, einfach die Party für die beste Zeit des Tages: Die Zeit nach Weltuntergang. Ich habe in all den inzwischen 20 Jahren, anfangs mit größeren Unterbrechungen, später fast regelmäßig dort photographiert. Ich bin keine Party-Photographin. Aber Exzess und Weltuntergang sind zwei gute Bekannte von mir. In dieser Zeit sind 200.000 - oder mehr - Negative entstanden, analoge und digitale. 200.000 mal the decisive moment, ganz emphatisch im Sinne Henri Cartier-Bressons, der entscheidende Augenblick – oder doch der Versuch, ihn zu treffen. – Wieder und wieder. – Bis wir schließlich anfingen, einen Film zu drehen.

Format:

Foto / Video

Johanna Jackie Baier | Julia (World Premiere: 70. Mostra Internazionale d’Arte Cinematografica/La Biennale di Venezia, 31.08.2013)

Johanna Jackie Baier | Julia (World Premiere: 70. Mostra Internazionale d’Arte Cinematografica/La Biennale di Venezia, 31.08.2013)

Eine Geschichte von Leidenschaft, Erniedrigung und Einsamkeit, von Verzweiflung und Aufruhr. Was genau treibt einen Jungen von der Kunstschule dazu, sein Zuhause in Klaipeda / Litauen zu verlassen, um als Mädchen in den Straßen von Berlin, in stickigen Hinterzimmern und auf verklebten Sesseln eines Sexkinos den eigenen Körper zu verkaufen? Über mehr als zehn Jahre begleitet Photographin und Filmemacherin J.Jackie Baier die heute 30-jährige Transsexuelle Julia K. durch ihr Leben als Straßenhure, Outlaw und Nonkonformistin, die ohne gesellschaftliche Übereinkünfte lebt. „Ich kann nicht sagen, dass ich eine Frau bin, aber ich bin auch kein Mann. Ich bin etwas... - ein Geschöpf Gottes, aber ein krummes Geschöpf Gottes. Der Gott hat nicht aufgepasst bei meiner Geburt.“ - sagt Julia von sich. Andere Autoritäten als diesen Gott, der sich geirrt hat, akzeptiert sie nicht. Sie ist eine, die den „Contrat Social“ nie unterschrieben hat. Sie spricht ein archaisches Deutsch, das hierzulande seit dem frühen 19. Jahrhundert nicht mehr gebräuchlich ist. Sie aquarelliert, zur Entspannung, wie sie sagt. Sie hat ein Einser-Abitur und einen Diplomabschluß an der Kunstschule von Klaipeda. - Und in Berlin ist sie eine transsexuelle Straßenhure, die bisweilen den Weg nach Hause nicht mehr findet. (Pressetext, 2013) Die Photos waren zuerst da. Es war von Anfang an klar, daß ich sie unbedingt photographieren mußte. Umgekehrt war es ebenso klar, daß JULIA photographiert werden wollte. Sie liebte die Kamera und die Kamera liebte sie. Die Photos bestätigten ihr anfangs, daß sie schön war: schön für die Ewigkeit. Später, daß sie noch da war; die Photos bestätigten ihr, daß sie lebte. Und heute, manchmal, dienen sie ihr als Vorwand, daß jemand vorbeischaut, um sie zu sehen. Oder ist es umgekehrt? Bin ich diejenige, die einen Vorwand braucht? Bin ich diejenige, die in den Photos nach Bestätigung sucht? (directors‘ / photographers‘ statement 2013)

Format:

Foto / Video

Johanna Jackie Baier | Real Cool Time (2014 – 2019)

Johanna Jackie Baier | Real Cool Time (2014 – 2019)

REAL COOL TIME ist eine Edition ausgewählter Photos von J.Jackie Baier in Heftform. Die Photos sind schwarz-weiß. Themen und Genres sind nicht festgelegt. REAL COOL TIME bringt „Photos von Menschen und anderen Objekten der Begierde, denen ich begegnet bin und begegnen werde.“ (J.Jackie Baier) REAL COOL TIME ist als Print-Magazin in 12 Ausgaben zwischen 2014 und 2019 in einer Auflage von 50/Heft erschienen. Die Photos werden nicht im Internet zu sehen sein.

Format:

Foto / Video