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Veranstaltung:

Nachruf auf Ingrid Wieland-Autenrieth

Stadt:

Freiburg

NACHRUF

Ingrid Wieland-Autenrieth 12.1.1926 - 25.11.2023 (GDL/DFA 1952 - 2023)

Ingrid Wieland-Autenrieth ist am 25. November 2023 in Freiburg verstorben. Mit ihr verliert die DFA eines ihrer ältesten Mitglieder, zudem eines mit einer sehr langen Mitgliedschaft (seit März 1952). Am 12. Januar 2024 wäre Ingrid 98 Jahre alt geworden.

Ingrid Wieland-Autenrieth war Fotografin mit professioneller Ausbildung und künstlerisch-gestaltendem Interesse. Es war ihr zeitlebens als Urheberin wie als Vermittlerin ein Anliegen, das Interesse an fotografischer Kunst zu wecken und zu verbreiten.

Die geborene Mannheimerin entdeckte bereits früh das Fotografieren - der Vater schenkte ihr als passionierter Fotograf eine Tenax-Kleinbildkamera. Mit dem kriegsbedingten Notabitur (am Bodensee) entschied sie sich für eine Lehre als Fotografiegehilfin. Ihr Ausbilder in Mannheim war Artur Pfau, damals als Industrie- und Architekturfotograf bekannt. Nach Lehre, Gesellenprüfung und einer kurzen selbständigen Tätigkeit in Eberbach (Odenwald) konnte sie eine vertiefende Ausbildung anschließen: Von Sept.1948 bis Juli 1949 war sie an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen in München eingeschrieben - in der Meisterklasse dieser renommierten „Kaderschmiede“ für viele spätere Fotogrößen. In demselben Jahr erhielt sie eine Anstellung als Werksfotografin bei der Fa. ADOX in Frankfurt/M. Die Prüfung zur Photographiemeisterin legte sie 1951 in Mannheim ab. Da hatte sie bereits am ADOX-Stand mit mehreren Arbeiten an der 1. Photokina in Köln teilgenommen. Es folgten wichtige Jahre mit eigenem Fotoatelier in Frankfurt/M., von wo aus sie die umgebenden Landschaften sowie Sehenswürdigkeiten und das Leben der Menschen in den Orten zu ihren Fotomotiven machte. Ihre Aufnahmen erschienen in damaligen Publikationen, u. a. in Europa Camera 1951 - in Gesellschaft von Fotogrößen wie z. B. Willy Maywald, Otto Steinert, Wolf Strache, Florence Henri, Marta Hoepffner. Auch die Stadt Frankfurt, ihre Ruinen wie die Neubauten der Nachkriegsmoderne, die Feste, der Zoo mit seinen exotischen Tieren - darunter die sogen. ADOX-Löwen - ergaben reiches Pressebild-Material. Erste Reisen lieferten neue Motive (Pariser Bauwerke, 1952) und Themen (Venedig im Regen, 1951). Zum großen Fotobestand gehören die zahlreichen Werbemotive mit „Mädchen“ (Models), denen sie später immer wieder eines ihrer eigenen Kinder zugesellte - durchaus im Sinne des Frauenbildes der 50er Jahre.

Andererseits konnte die frech-freie Haltung eines „Mädchens“ im Stil von Existenzialismus und Beat Generation als Sinnbild des Frauenwahlrechts 1918-2018 für ein Plakat ausgewählt werden („Aus den Wolken gefallen“, Titelbild Frankfurter Illustrierte 10,1954). 1955 erhielt Ingrid Wieland-Autenrieth beim Internationalen Rollei-Wettbewerb den 2. Preis für ihr 1954 entstandenes Bildhauer-Porträt von Prof. Richard Scheibe. Seit 1966 war die Familie - nach einer Zeit in Memmingen und der fotografischen Entdeckung des Allgäus - in Freiburg im Breisgau ansässig. Auch dort hatte Ingrid ein eigenes Fotolabor - ihre letzten s/w-Handabzüge entstanden 1978. Durch Aufträge ihres Schwagers Carlfried Mutschler nahm sie die Architekturfotografie wieder auf, um dessen freie Form in Beton bis zum „Brutalismus“ festzuhalten, später auch die stützenfreie Multihalle in Mannheim als Raumwunder zu dokumentieren. Einen besonderen Auftrag erfüllte sie zum Jubiläum des Freiburger Droste-Hülshoff-Gymnasiums 1976, indem sie alle Klassen und das Lehrkollegium porträtierte. Eigene s/w-Serien schuf sie mit den Rebumlegungen am Kaiserstuhl 1974/75 - grafisch wirksame Bilder einer komplett umgestalteten Landschaft - und mit den Porträts von Freiburger Familien Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre.

Ingrid Wieland-Autenrieth engagierte sich auch ehrenamtlich in der GEDOK (gegründet in ihrem Geburtsjahr 1926) - sowohl interdisziplinär (durch ihre Mutter, die Komponistin Helma Autenrieth, war sie eine große Musikliebhaberin) als auch speziell für die Fotografie. Außerdem führte sie ein gastfreundliches Haus, veranstaltete Feste und Treffen, Hauskonzerte, Lesungen und Bildvorträge. Als GEDOK-Vorsitzende sorgte IWA anlässlich der GEDOK-Bundestagung in Freiburg 1992 für eine Ausstellung mit bedeutenden Fotografinnen aus den alten und neuen Bundesländern (Kat. „Das Dritte Auge“), darunter Tina Bara, Marta Hoepffner, Evelyn Krull, Gundula Schulze Eldowy, Maria Sewcz, Annegret Soltau, Marion Wenzel, Gudrun Vogel. In die Jury wurden Evelyn Richter (1934 - 2021), Dr. Claudia Gabriele Philipp (DFA) und Dr. Marlene Schnelle-Schneyder (DFA) eingeladen. So stiftete IWA erstmalig eine Ausstellung auf dem Gebiet der Fotografie als Austausch West-Ost an - zu diesem Anlass ein völliges Novum.

Sie selbst beteiligte sich seit 1952 wiederholt an DFA-Ausstellungen, zuletzt mit ihrem Eiskristallmotiv (1990/91) von ornamenthafter Bildwirkung. Es steht beispielhaft für das zunehmende Interesse an Farbabstraktionen, die sie akribisch-handwerklich (noch ohne digitale Möglichkeiten) seit den späten 1970er und in den 1980er Jahren auf der Grundlage ihrer Reisefotografie entwickelte und ausstellte. Diese künstlerische Umsetzung in ein Spiel von Geometrie und Konstruktion führte zur völligen ästhetischen Verfremdung und zu einer wirkungsvoll inszenierten neuen Bildschöpfung. 2001 griff das Bonner Haus der Geschichte unter dem Titel „frauenobjektiv“, Fotografinnen 1940 bis 1950, nochmals auf Ingrid Autenrieths Fotos der Münchner Zeit 1949 zurück - hier als Dokumente von Not und Elend der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Seit 2011/12 wurde in Freiburg ihr fotografisches Werk in insgesamt sieben Einzelausstellungen gezeigt - wiederentdeckt und kuratiert von der Freiburger Kunsthistorikerin S. Meier-Faust. Im DFA-Bulletin April 2013 erschien ein kurzer Bericht mit sechs Abbildungen. 2017 waren die Tibet-Farbbilder von 1986 als historische Zeugnisse zu sehen. 2022 folgte unter dem Titel „Vier Jahreszeiten“ eine reiche Auswahl von s/w-Vintage-Landschaftsmotiven und 2023 waren Architekturfotografien seit den Nachkriegsjahren ausgestellt. Ein weiteres materialreiches Thema wäre eine Ausstellung zum Menschenbild - abgesehen von dem ungehobenen Schatz der weltweiten Reisefotografie. Das fotografische Gedenken an Ingrid Wieland-Autenrieth und ihr Werk kann also weitergehen.

Susanne Meier-Faust, M. A.

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Ingrid Wieland-Autenrieth (Mitte) 1953 auf der GDL-Tagung in Esslingen. Links neben ihr Walde Huth. ©DFA-Archiv

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