Alina Simmelbauer | Garcías Tochter
Alina Simmelbauer | Garcías Tochter
Jury-Mitglied Ingo Taubhorn über die Arbeit: "Alina Simmelbauer ist eine Suchende. Tochter einer Ostdeutschen und eines Kubaners, den sie erst 2011 kenngelernt hat. Da war sie 30 Jahre jung. Seitdem sucht sie nach Menschen, deren Familiengeschichte der ihrer ähneln. Das sind die eindringlichen Farb-Porträts von jungen Frauen und Männern, „die hinter einem Schleier der Verschwiegenheit aufwuchsen; ohne Väter oder das Wissen über deren Verbleib.“ Was war passiert? Die ehemalige DDR beschäftigte in den 1970er und 1980er Jahren aus ihren Bruderländern sogenannte Arbeitsmigrant*innen aus Mosambik, Kuba oder Vietnam, die natürlich nicht nur fleißig ihrem Tagwerk nachgingen, sondern auch intensive Beziehungen zu der einheimischen Bevölkerung pflegten. Alina Simmelbauer wurde 1981 in der Kreisstadt Sömmerda in Thüringen, 20 Kilometer nördlich von Erfurt, geboren. Nach zweijährigem intensivem Familienleben mußte der Vater das Land verlassen. Ihre Werkgruppe „Garcías Tochter“ beschränkt sich aber klugerweise nicht nur auf die Porträts, sondern kombiniert mit sicherem Gespür Archivbilder, Familienfotos oder Memorabilien aus jener Zeit und vermischt die eigene Geschichte mit einem Phänomen, das bis heute nicht wirklich aufgearbeitet ist. Ihre künstlerische Arbeit klagt nicht an, sucht keinen Schuldigen, sondern öffnet uns als Betrachter Lebensereignisse, die uns für die verborgenen Geschichten sensibilisieren, auch wenn wir sie im Detail nur erahnen können. Eine weitere Arbeit, die sich aus unterschiedlichen Materialien zusammensetzt und die überzeugt." Simmelbauer über ihre Arbeit: "Etwa 190.000 Arbeitsmigrant*innen u.a. aus Polen, Mosambik, Kuba und Vietnam studierten oder arbeiteten von 1962 bis 1990 in der DDR, dem sozialistischen Bruderstaat. Nach Ablauf der Vertragszeit von ca. 4 Jahren erlosch das Aufenthaltsrecht und die Vertragsarbeiter wurden zurück in ihre Heimatländer geschickt. Freundschaften, Beziehungen und Familien wurden dadurch getrennt. Für viele ehemalige Vertragsarbeiter gibts es, neben der eigenen Arbeitsvergangenheit etwas, das sie bis heute mit Deutschland verbindet: ihre Kinder. Ich bin selbst Tochter eines ehemaligen Vertragsarbeiters, der Anfang der 80er Jahre in der DDR zu Gast gewesen war. Kennengelernt habe ich ihn jedoch erst 2011 auf Kuba. Seitdem suche ich nach Menschen, deren Familiengeschichten der meiner ähneln. Auf dieser Suche traf ich auf zahlreiche Kinder, die hinter einem Schleier der Verschwiegenheit aufwuchsen; ohne Väter oder das Wissen über deren Verbleib. In der Fotoarbeit ‚Garcías Tochter’ lasse ich der eigene Suche nach dem Vater den Prozess der künstlerischen Auseinandersetzung folgen. Neben den Aufnahmen meiner Suche in einem fremden Land greife ich Bilder aus Betriebs- und Stadtarchiven auf und mische diese mit Porträts der heute erwachsen Kinder. So gehen Bilder in den Austausch miteinander und in eine Beziehung zur mündlichen Erzählung. Hierbei wird Inhalt und Geschichte in umgekehrter Richtung vernetzt." Kurzbiografie: Alina Simmelbauer ist in Thüringen aufgewachsen, lebt und arbeitet als Fotografin in Berlin. In ihren freien Arbeiten fokussiert sie die Auseinandersetzung mit Identität und Familie. Ihren Master in Fotografie hat sie an der Burg Giebichenstein Halle/Saale (2012) und am ISA Instituto Superior de Arte Havanna, Kuba (2011) absolviert. 2020 hat sie die Meisterklasse an der Ostkreuzschule für Fotografie Berlin unter der Leitung von Prof. Ute Mahler und Ingo Taubhorn abgeschlossen. Im Rahmen ihrer Serie ‚Wir träumen allein‘ war sie DAAD Stipendiatin und erhielt 2018 für ihre aktuelle Arbeit ‚Garcías Tochter‘ die Projektförderung der Kulturstiftung Thüringen. 2017 wurde sie für den Hellerau Photography Award und Vonovia Award nominiert. https://alinasimmelbauer.com/
Format:
Foto / Video