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Ein Freund der Akademie ist gestorben: Dr. Dr. Rolf Herbert Krauss.

Ein Freund der Akademie ist gestorben: Dr. Dr. Rolf Herbert Krauss.

(geb. 13. Dezember 1930 in Stuttgart , gest. 2. Januar 2021 ebenda)

Bei den Jahrestagungen der Deutschen Fotografischen Akademie in Leinfelden-Echterdingen war der Stuttgarter Kunsthistoriker, Sammler und Autor Rolf H. Krauss ein stiller, doch aufmerksamer Gast. Er wurde ihr Mitglied und engagierte sich nachhaltig am Geschehen dieser „fotografischen Gemeinschaft“ – ein Ausdruck, den er 1998 einführte.

Sein Interesse an der damaligen FA GDL/DFA erfuhr ich dankbar als deren Vorsitzender in den Jahren von 1983 bis 1992, einer Zeit des politischen, gesellschaftlichen und medialen Wandels. Hier vollzog sich der Generationswechsel von der alten „elitären“ GDL zur jungen, demokratisch verfassten Akademie, verbunden mit der kritischen Aufarbeitung ihrer Geschichte vor und nach 1945. Auch die deutsche Wiedervereinigung 1989 fiel in diese Zeit forderte neues Denken über regionale Grenzen hinaus. Und mit dem Begriff vom „Medium Fotografie“ kam es zu erweiterten Formen einer „Medienkunst“, insbesondere der „Konzeptkunst“ in der die Fotografie eine gewichtige Rolle spielte. Die Bewegungen entstanden aber nicht unmittelbar in der DFA, sondern sie wurden eher von außen an sie herangetragen und wirkten auf ihre Arbeit ein.

1979 hatte Rolf H. Krauss „Zehn Thesen zur konventionellen und konzeptionellen Photographie“ veröffentlicht, eine programmatische Schrift zur Begründung seiner 1983 zuerst in der Nationalgalerie Berlin gezeigten Sammlung „Kunst mit Photographie“. Sie befindet sich heute im Besitz der Staatsgalerie Stuttgart und enthält ausschließlich Arbeiten nach der zweiten, der „konzeptionellen“ Lesart. Mit ihnen aber vollzog sich ein Auffassungswandel, ein Paradigma: vom traditionellen Blick durch die Kamera hindurch nach draußen – zum Blick von außen in die Kamera und ihre inneren Verhältnisse hinein; das Medium Fotografie wurde zum Objekt Fotografie. Doch trat dieser Blickwechsel erst allmählich ein, und die meisten Akademiemitglieder fanden nur schwer aus ihrer traditionellen Auffassung vom Foto als Bilddokument heraus.

Exemplarisch dafür war ein Besuch der Akademie in den Stuttgarter Ausstellungsräumen des Sammlers, ich erinnere mich noch lebhaft: Skepsis, ja Ratlosigkeit auf Seiten vieler Mitglieder gegenüber dem, was da ausgebreitet zu betrachten war – und ein engagierter Sammler, der seine Sachen klug und überzeugend zu begründen wusste.

Doch diese Differenz hat uns – Sammler und Akademie – nicht entzweit. Im Gegenteil. Die fotografische Differenz und Vielfalt wurde thematisiert, und sie verband uns mehr als sie uns trennte. So formulierte Rolf H. Krauss die Laudatio für den Träger der David-Octavius-Hill- Medaille 1986, John Hilliard. Auch war Krauss ein großzügiger Leihgeber 1989 mit Arbeiten von Timm Ulrichs zur Jubiläumsausstellung „Dokument und Erfindung. 70 Jahre GDL/DFA“ – um nur diese Beispiele zu nennen. Schließlich wurden wir, mit Beate Reese vom Würzburger Kunstmuseum, Koautoren des Buches „Concrete Photography/Konkrete Fotografie“ (Bielefeld 2005). Das führte zu einer ganz eigenen Freundschaft, in der uns das bis zuletzt gebrauchte „Sie“ nie wirklich im Wege stand.

Zuletzt erschien sein Buch „Ich sammle also bin ich. Sammeln als Lebensentwurf“ (Bielefeld 2019), ein überzeugendes Selbstzeugnis besonderer Art. Es schildert Entstehung und Verbleib von nicht weniger als zwanzig Sammlungen. Einen Schwerpunkt bilden darin die fotografischen Konvolute, wie „Kunst mit Photographie“, „Kameras“ und vor allem die „Bibliothek zur Photographie“, Höhepunkt seiner Passion. Ihre Vergegenwärtigung erlebt der Sammler nicht mehr. Das war ihm bewusst als er entschied, seine zu 16.000 Titeln angewachsene „Dr. Rolf H. Krauss Forschungsbibliothek“ der Universitätsbibliothek Marburg zu übereignen. Sie wird künftig in dem im Bau befindlichen Neubau des DDK Aufstellung finden. So lebt sein Erbe für Generationen fort. Die Eröffnung dieser unvergleichlichen Tat steht aus.

Die Verdienste von Rolf H. Krauss für unser Fach sind an dieser Stelle nicht angemessen zu würdigen. Wir begegneten einer bedeutenden Persönlichkeit der Fotografie, der wir entscheidende Beiträge zu ihrer Kunst und Wissenschaft verdanken. Unserem Gast, Förderer und Freund werden wir ein ehrendes Andenken bewahren.

Prof. Dr. Gottfried Jäger

Im Januar 2021

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