Über

Nach dem Abitur arbeitete ich als freiberuflicher Fotograf für Presse und Fotoagenturen. Parallel dazu habe ich in Frankfurt am Main Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach meiner Promotion und fünfzehn Jahren in der Wirtschaft wandte ich mich der Fotokunst zu und studierte Fine Art Photography am Istituto Europeo di Design in Madrid unter anderem bei Elger Esser, Joan Fontcuberta und Martin Parr. Seitdem arbeite ich international an meinen verschiedenen persönlichen Projekten.

Statement

Ich interessiere mich besonders für vom Menschen Gemachtes und Eingriffe des Menschen in die Landschaft und in seine Umgebung. Das gebaute Umfeld spielt deshalb immer eine wichtige Rolle in meinen Arbeiten. Dabei richtet sich mein Blick nicht auf Spektakuläres, sondern auf das Alltägliche, das oft in seiner Banalität übersehen wird, obwohl es doch so kennzeichnend ist. Meist beschäftige ich mich mit öffentlichen Orten und urbanen oder suburbanen Räumen, in denen Menschen leben, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen. Wie sie aussehen, ist das Ergebnis kollektiver und individueller Entscheidungen. Menschen formen ihre Umgebung, werden aber gleichzeitig auch von ihr geformt. Indem man sich die gebaute Umwelt, die städtischen Strukturen, die Architektur und ihre Beziehung zur Natur genau ansieht, kann man viele Informationen über Menschen und Gesellschaften erhalten, auch ohne Menschen zu zeigen. Für mich ist die Fotografie das perfekte Werkzeug, um diese Informationen sichtbar zu machen. Obwohl Dokumentation keines meiner Hauptanliegen ist, inszeniere ich meine Bilder nicht. Ich arbeite mit dem von mir Vorgefundenen. Der Grund ist, dass Bilder, die nicht inszeniert werden, in der Realität verwurzelt sind, deren Teil der Fotograf war. Für mich besteht die Herausforderung darin, meine Wahrnehmung der Wirklichkeit zu nutzen, um Bilder zu schaffen, die darüber hinausgehen. In meinen Arbeiten geht es oft um Strukturen und Konstellationen von Dingen oder auch Menschen im Raum. Objekte oder Motive sind für mich immer auch Material für die Komposition meiner Bilder. Mir ist es wichtig, dass meine Fotografien als Bilder funktionieren, d.h., dass sie den Betrachter in irgendeiner Weise ansprechen, auch wenn man sie von Konzept, Inhalt und Kontext loslöst. Mein Ziel ist es nicht, eine klar definierte Reaktion des Betrachters zu erreichen, ihn in eine ganz bestimmte Richtung zu drängen. Ich möchte Raum für Fantasie und Interpretation lassen.

Ausbildung

  • 2010 - 2012 | “Fine Art Photography” (Master’s Degree), Istituto Europeo di Design, IED Madrid (ES)
  • 1998 | Promotion zum Dr. rer. pol., Goethe-Universität Frankfurt (DE)
  • 1984 - 1990 | „Wirtschaftswissenschaften“, Goethe-Universität Frankfurt (DE)

Ausgewählte Auszeichnungen

  • 2019 | Nominee, “Felix Schoeller Photo Award” (DE)
  • 2018 | Shortlisted, “Vonovia Award für Fotografie” (DE)
  • 2018 | “Finalist Photo Book”, Singapore International Photo Festival (SG)
  • 2018 | Finalist, „Lucie Photo Book Prize“ (US)
  • 2018 | “PDN – The Eighth annual Exposure Photography Award” (US)
  • 2011 | Auszeichnung, „Europäischer Architekturfotografie-Preis“ (DE)

Ausgewählte Ausstellungen / Publikationen

  • Ausstellungen / Exhibitions:
  • 2022 | Biennale di Venezia - Venice Biennale (IT)
  • 2019 | Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück (DE)
  • 2019 | The 3rd China Lianoning International Industrial Photography Festival (CN)
  • 2019 | Kunstmuseum Bochum, Bochum (DE)
  • 2018 | PHotoESPAÑA, Madrid (ES)
  • 2014 | Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg (DE)
  • 2014 | Huantie Times Art Museum, Beijing (CN)
  • 2011 | Deutsches Architektur Museum, Frankfurt am Main (DE)
  • Publikationen / Publications:
  • 2018 | Photo Book “Wild West”, Kehrer Verlag (DE)

Persönliche Website

http://www.joachim-hildebrand.de

Arbeiten

Joachim Hildebrand | Allemagne Mon Amour (2011 - heute)

Joachim Hildebrand | Allemagne Mon Amour (2011 - heute)

Wohnstätten und ihre Umgebung sind zentrale Orte und Räume des alltäglichen Lebens. An diesen Orten verbringen die Bewohner ihre Freizeit, leben ihre Individualität aus und streben nach etwas Privatsphäre. Hier wächst auch die kommende Generation auf. Die Bewohner werden von ihrem 'Zuhause', den Orten und Räumen, in denen sie leben, geformt. Sie formen diese aber auch selbst, z.B. durch Bepflanzungen und den Gebrauch von Farben. Die Eingriffe der Bewohner in ihre Umgebung sind zentrale Faktoren für die Atmosphäre und die Aura dieser Orte. Sie geben uns – zusammen mit den Spuren des Lebens, die dort gleichsam 'gespeichert' sind – vielfältige Informationen. Sie erzählen uns etwas über die Bewohner, selbst wenn man nichts von ihnen sieht. Auf diese Weise entsteht ein indirektes Portrait Deutschlands, seiner Bewohner und ihres Lebens. Der Blick auf die oft uninspirierte Siedlungsarchitektur in „blühenden Landschaften“ ist ruhig und unspektakulär. Präzise Kompositionen kontrastieren die ganz eigene Poesie dieser Orte.

Format:

Foto / Video

Joachim Hildebrand | Wild West (2015 - 2017)

Joachim Hildebrand | Wild West (2015 - 2017)

Wie könnte man sich einem amerikanischen Mythos besser nähern als per Roadtrip? Ich bereiste die sieben Bundesstaaten des amerikanischen Südwestens, in denen der Wilde Westen geografisch und auch in unserer Vorstellungswelt verortet ist. Der Buch- und Serientitel erzeugt unweigerlich Bilder voller Klischees und Stereotypen vor unserem geistigen Auge. Doch heute, da die Wildnis von der Zivilisation verdrängt ist, finde ich im ehemaligen Grenzland der amerikanischen »Frontier« ganz andere Bilder. Mein Blick richtet sich auf unscharfe Ränder, auf Gegensätze, Grenzen und Übergänge: von Architektur zu Natur, von Urbanität zu Landschaft. Die Archetypen des amerikanischen Westens sind zu Abziehbildern geworden. In meinen Bildern werden die für das Selbstverständnis der USA zentralen Mythen des Wilden Westens und des »manifest destiny« dekonstruiert. Trotzdem bleibt der Westen für mich als visuelles Abenteuer faszinierend.

Format:

Foto / Video

Joachim Hildebrand | Mass Storage (2008)

Joachim Hildebrand | Mass Storage (2008)

Die widernatürliche Verdichtung des Lebensraums der modernen Stadtbevölkerung wird am Beispiel asiatischer Metropolen (vorliegend Hongkong) besonders augenfällig. Hier wird die beklemmende Atmosphäre fühlbar, die Perspektive trägt dazu entscheidend bei. Wohngebäude drängen sich dicht. Außerhalb der Waben bleiben kaum Zwischenräume, die als Orte für Individualität dienen könnten. Zusätzlicher persönlicher Raum bietet sich wenigen. Dachterrassen werden in unterschiedlichster Weise genutzt: Sonnendeck, Miniaturdschungel, Müllhalde.

Format:

Foto / Video

Joachim Hildebrand | Neue Heimat (2011 - 2012)

Joachim Hildebrand | Neue Heimat (2011 - 2012)

Als kleiner Junge durchquerte ich auf meinem täglichen Schulweg eine Siedlung mit Wohnblocks. Die damals noch neuen Gebäude – eines glich wie ein Ei dem anderen – weckten mein Interesse und meine Neugier. In den 1950er und 1960er Jahren schossen in ganz Deutschland solche funktionalen, schmucklosen Siedlungen wie Pilze aus dem Boden. Als Folge des Zweiten Weltkriegs war Wohnraum knapp. Zahllose Entwurzelte benötigten eine neue Heimat. Die ersten Bewohner dieser Siedlungen waren oft Flüchtlinge. Heute leben wieder viele Entwurzelte in den nahezu unveränderten Gebäuden: Menschen mit Migrationshintergrund. Von außen betrachtet ist es nahezu ausgeschlossen, einzelnen Fenstern oder Wohnungen bestimmte Bewohner, Familien und deren kulturellen Hintergrund zuzuordnen. Diese Austauschbarkeit der Bewohner wird durch die uniformen Gebäude mit ihrer anspruchslosen Architektur reflektiert. Die Schatten auf den Gebäuden wecken vielfältige Assoziationen. Sie verweisen auf die Vergangenheit, die Erinnerungen und Träume der Bewohner. Aber auch Familienstammbäume, selbst Geister und Dämonen kommen einem in den Sinn. Mit den Gebäuden zu einer poetischen Impression vereinigt, werden die Schatten zur Metapher für die Verschmelzung von Bewohnern, ihren Familien, ihren Lebenslinien, vielleicht sogar ihren Kulturen mit dem, was ihnen eine neue Heimat sein soll. Es ist, als ob die Schatten etwas über das Geschehen in den Gebäuden und über ihre Bewohner erzählten.

Format:

Foto / Video